Werner Egk (1901-1983), Columbus Theater Bonn, Opernhaus, 16. Juni 2024 - Klassik begeistert (2024)

Columbus © Bettina Stöß

Als letzte Opernproduktion der Saison 2023/2024 spielt das Theater Bonn “Columbus” von Werner Egk, ein Werk, zwischen Oper und Oratorium, das ursprünglich vom Komponisten als Rundfunkoper konzipiert worden war. Der Regisseur Jakob Peters-Messer und sein Team zaubern eine imposante Produktion auf die Bühne und in den Zuschauersaal, die vom Publikum begeistert aufgenommen wird.

Werner Egk (1901-1983), COLUMBUS
Bericht und Bildnis (Text von Werner Egk)

Musikalische Leitung: Hermes Helfricht
Inszenierung: Jakob Peters-Messer
Bühne: Sebastian Hannak
Kostüme: Sven Bindseil
Video-Design: Robi Voigt

Beethoven Orchester Bonn
Chor und Extrachor des Theater Bonn (Einstudierung)

Theater Bonn, Opernhaus, 16.Juni 2024


von Jean-Nico Schambourg

Werner Egk ist heute ein fast vergessener Komponist. Das mag auch an seiner zwiespältigen Verbindung zu den Nationalsozialisten liegen: Er war bekannt als einer der wichtigsten Komponisten des NS-Staates, schrieb in dieser Zeit manche Auftragsmusik, erhielt Auszeichnungen und hatte einige wichtige Posten im Musikbereich inne (Kapellmeister der Staatsoper Berlin, Vize-Präsident der Reichsmusikkammer ab 1941).

Nach dem Krieg gelang ihm seine “Entnazifizierung” zum Teil durch zweifelhafte Aussagen betreffend eventueller Verbindungen zur österreichischen Resistence. Auch sein an Strawinsky angelehnter Kompositionsstil, der von manchen Parteigenossen kritisiert wurde, erlaubte es ihm seine Nähe zum NS-Regime zu minimisieren.

Im Rahmen seines Zyklus “Fokus 33” führt die Oper Bonn “Columbus” auf, ein Werk, das Egk 1933 im Alter von 32 Jahren als Rundfunkoper konzipiert hatte. Er gab seiner Komposition den Untertitel “Bericht und Bildnis”, um auf ihren dokumentarischen Charakter hinzuweisen. Ist es nun eine Oper oder ein szenisches Oratorium?

Egk selbst erklärte, das Werk enthalte zu viele dramatische Situationen, als dass es sich als szenisches Oratorium beschreiben ließe. Allerdings habe er die mit den Konflikten befassten Personen nicht in den Mittelpunkt seines Werkes gestellt, so dass es auch keine Oper sei.

Die Handlung ist in drei Teile gegliedert und wird von zwei Sprechern kommentiert, die das Geschehen vorantreiben. Im ersten Teil erlebt man, wie Columbus um Unterstützung seines Projekts beim spanischen König Ferdinand, dann bei der spanischen Königin Isabella buhlt, sich dann gegen das Konzil durchsetzen muss und schließlich die Genehmigung zur Abfahrt erhält.

Der zweite Teil erzählt von der Überfahrt und Landung, der letzte Teil vom anfänglichen Jubel in Spanien, der dann einige Jahre später in eine Stimmung gegen Columbus umschlägt, weil der erhoffte Reichtum nicht eingetroffen ist. Alles endet mit dem Tod von Columbus, der zum Schluss einsehen muss, dass seine Entdeckung nur Leid und Versklavung herbeigeführt hat.

Egks Blick auf die Entdeckung Amerikas durch Columbus ist nicht unkritisch. Er begnügt sich nicht mit der Glorifizierung der Figur und seiner Entdeckungsreisen, sondern stellt hier klar die Frage nach dessen Verantwortung und Schuld an den Verbrechen, die gegen die einheimische Bevölkerung im Namen Gottes und des spanischen Königtums begangen wurden.

  1. Die Musik, die Egk hierzu komponierte, lässt sich gut anhören: sie ist klangvoll und pompös. Egk verbindet in seinem Werk viele verschiedene musikalischen Elemente, wie kirchliche Motive, Folkloreklänge, Tanzrhythmen.

Einige Chorstellen erinnern an Orffs “Carmina Burana”. Der Chor nimmt in diesem Werk eine zentrale Rolle ein.

Werner Egk (1901-1983),Columbus Theater Bonn, Opernhaus, 16.Juni 2024 - Klassik begeistert (1)

Mit seiner Inszenierung greift Jakob Peters-Messer dieses Element ganz speziell auf. Wie schon bei seiner Inszenierung der Oper “Das Feldlager in Schlesien” von Meyerbeer, bindet der Regisseur den Zuschauersaal in das Bühnengeschehen mit ein. Wenn dann der Chor vom ersten Balkon oder aus dem Parterre herum erklingt, steigert dies den pompösen Klangeffekt der Musik um ein Vielfaches.

Auch auf der eigentlichen Bühne erfindet der Regisseur eine ganz spezielle Bühnenlösung: das Orchester befindet sich nicht im Orchestergraben, sondern sitzt hinter den Sängern auf der Bühne.

Im Vordergrund der Bühne stehen und liegen exotisch wirkende Statuen und Figuren, wie in einem Museumsdepot voll mit geklauten Kunstwerken exotischer Kulturen. Dazwischen stehen eine ganze Reihe von Bildschirmen, auf denen Videos gezeigt werden von Krieg und von Feiern, aber auch Erklärungen zu den Gräueltaten der Spanier auf ihren Eroberungen.

Die beiden Sprecher, in Bonn hervorragend interpretiert von Bernd Braun und Christoph Gummert, filmen teilweise “live” von der Bühne oder aus dem Zuschauersaal, was auch auf die Bildschirmen proji*ziert wird. Dies alles ermöglicht, wie Jakob Peters-Messer es im Programmheft erklärt, “eine eigene Bühnenlösung, die den Raum erweitert und auch die Möglichkeiten von Diskurs und Dokumentation mit einbezieht”.

Musikalisch wird die Aufführung vom Chor und Extrachor der Oper Bonn (Einstudierung: Marco Medved) dominiert: Der volle und präzise Chorklang wühlt dem Zuhörer regelrecht Leib und Seele auf und verleiht ihm so manchen Gänsehautmoment.

Die Sängersolisten bewegen sich alle auf hohem Niveau, angefangen bei Giorgos Kanaris, der dem Columbus, von Egk relativ kühl und emotionslos gezeichnet, seinen geschmeidigen und expressiven Bariton verleiht.

Santiago Sánchez gibt mit kraftvollem Tenor einen herrischen, spanischen König, Anna Princeva mit sicherem Sopran eine geldgierige Königin Isabella. Auch die kürzeren Rollen fügen sich wunderbar in die Handlung ein, mit besonderem Hinweis auf den Herold von Carl Rumstadt.

Werner Egk (1901-1983),Columbus Theater Bonn, Opernhaus, 16.Juni 2024 - Klassik begeistert (2)

Das Ganze wird von Meisterhand geleitet von Hermes Helfricht, der dem Beethoven Orchester einen herrlich runden, festen, pompösen Klang entlockt. Mit präziser Gestik führt er das “musikalische Boot”, leitet Orchester, Chor und Solisten sicher durch diesen Abend, was bei dieser Bühnenkonstellation ein besonderes Unterfangen ist, da der Dirigent und das Orchester nur über Bildschirme Kontakt mit Sängern und Chor haben.

Die Zuschauer spendeten allen Beteiligten großen Applaus für diese hervorragende Aufführung.

Jean Nico Schambourg, 18. Juni 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Franz Schreker (1878-1934), DER SINGENDE TEUFEL Theater Bonn, Oper, 21. Mai 2023

Umberto Giordano, SIBERIA Theater Bonn, Opernhaus,12. März 2023 PREMIERE

Richard Wagner, Lohengrin, Theater Bonn, 4. November 2018

Werner Egk (1901-1983), Columbus  Theater Bonn, Opernhaus, 16. Juni 2024 - Klassik begeistert (2024)
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